Umbenennung der Straße „Reitbrake“ zu „Auf der Kriegsgräberstätte“ in Erinnerung an das über Jahrzehnte vergessene sowjetische Gräberfeld

Gröpelingen

Auf Grundlage der historischen Recherchen des Oslebshauser Heimatforschers Harry Winkel, dem Begründer der Geschichtsgruppe „Alt Oslebs“, und des pensionierten Geschichtslehrers und passionierten NS-Forschers Peter-Michael Meiners wurde das zentrale Bremer Gräberfeld für sowjetische Zwangsarbeiter und Kriegsgefangene im Jahr 2021 wieder aufgefunden. Auch der kürzlich verstorbene und eng mit dem Stadtteil verbundene Friedensaktivist Ekkehard Lentz hat sich sehr engagiert, um die Geschichte des Ortes wiederzuentdecken und würdevoll aufzuarbeiten.

Die Ergebnisse der Grabung, die vom August 2021 bis November 2022 durchgeführt wurden, wurden von der Landesarchäologie in ihrem Abschlussbericht wie folgt zusammengefasst: „Die Exhumierung des Friedhofs im Jahr 1948 war unvollständig. Mehrere Einzel-, Doppel- und Massengräber mit insgesamt 66 vollständigen Toten wurden bei der Exhumierung nicht gefunden und waren deshalb nicht exhumiert worden. Von den anderen ehemals dort Bestatteten in den langgestreckten Bestattungsgräben und auch in den anderen Gräbern lagen überall noch Teilkörper in situ, andere Einzelknochen lagen so, wie sie in der Exhumierungssituation zurückgelassen worden waren, andere als Streuknochen auf der ehemaligen Friedhofsoberfläche. In all diesen Fällen kann also nur von einer Teilexhumierung gesprochen werden. Die über 200 geborgenen Erkennungsmarken verweisen noch auf einen anderen Aspekt der frühen Nachkriegszeit hin. (…) Aber mit mehr Empathie für die toten Kriegsgefangenen und gründlicherer Arbeit hätte es möglich sein müssen, auf die beim Toten befindlichen Erkennungsmarken zu achten. Sie hätten 1948 zwar keine Identifizierung erlaubt, aber einen respektvollen Umgang mit den Toten
während der Exhumierung erkennen lassen.“ Insgesamt wurden 66 vollständige Skelette, über 20.000 Knochen- und Knochenteile sowie 213 Erkennungsmarken bei den archäologischen Grabungen gefunden.

Ein weiteres Gedenken wurde vom Bremer Senat angekündigt, so in der Vorlage zur Kulturdeputation vom 25.04.2022 (Vorlage Nr. 151): „Der authentische Ort des sog. „Russenfriedhofs“ mit dem Denkmal Reitbrake sowie der Bestattungsort an der Kriegsgräberstätte Osterholz werden nach der Wiederbestattung der geborgenen Gebeine und menschlichen Überreste im Rahmen eines Gedenkkonzepts erinnerungspolitisch zu verbinden sein.“

Auch im aktuellen Koalitionsvertrag (2023-2027) wurde die Reitbrake berücksichtigt: „Die Koalition wird (…) die an der Reitbrake in akribischer archäologischer Untersuchung geborgenen menschlichen Überreste der dort bestatteten, in Bremen zu Tode gekommenen Zwangsarbeitenden und Kriegsgefangenen aus dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion, heute vor allem Russische Föderation und Ukraine, würdevoll und mit Zustimmung der genannten Nationen in Osterholz wiederbestatten. Zugleich wollen wir dort in geeigneter Form aller Opfer des Vernichtungskriegs im Osten gedenken. Außerdem wollen wir in räumlicher Nähe der Reitbrake in Oslebshausen an die nationalsozialistischen Verbrechen im Bremer Westen und die zu Tode gekommenen Zwangsarbeitenden und Kriegsgefangene erinnern. Zur konzeptionellen Gestaltung des Gedenkens bzw. der Erinnerung werden wir Expert*innen heranziehen und uns mit den Vertreter*innen der Ukraine und Russland abstimmen.“

Aktuell sind jedoch keine Aktivitäten des Senats erkennbar, seine Absicht für ein würdevolles Gedenken zeitnah umzusetzen.
Bevor der authentische Ort nun durch die Überplanung mit einer Bahnwerkstatt wieder dem Vergessen anheimfällt, ist es erforderlich und dringend geboten, zunächst einfache und leicht umzusetzende Maßnahmen zu ergreifen. Hierzu zählt die Umbenennung der „Reitbrake“ in „Auf der Kriegsgräberstätte“.

Der neue Straßenname „Auf der Kriegsgräberstätte“ ordnet den authentischen Ort von NSVerbrechen, Leiden und Tod sachgerecht ein. Dem Besucher wird unmittelbar die mit diesem Ort verbundene Geschichte bewusst. Der Name macht neugierig und regt den Besucher an, eigene Recherchen anzustellen und sich mit dem Ort auseinanderzusetzen. Auch ortsansässige Betriebe und ihre Mitarbeiter werden sich mit der Geschichte des Ortes auseinandersetzen, damit sie ihren Besuchern Rede und Antwort stehen können. Der neue Straßenname erfüllt damit die Funktion „wider dem Vergessen“ und befördert ein „Nie wieder!“.

Die Reitbrake hat aktuell nur einen Anrainer, der von einer Umbenennung betroffen ist. Dies ist die Nehlsen Industrieservice GmbH & Co. KG - Betrieb Abfallbehandlung in der Reitbrake 6, 28239 Bremen. Alle anderen ehemals an der Reitbrake angesiedelten Betriebe wurden im Zuge Räumung für die archäologischen Grabungen und die geplante Ansiedlung der Alstom Transport
Deutschland GmbH (vormals Linke-Hofmann-Busch GmbH (LHB)) geräumt. Auch dürfte es den bestehenden Verstoß gegen das Bremische Landesstraßengesetz auflösen, wonach es nicht gestattet ist, dass mehrere Straßen in einer Gemeinde mit demselben Namen bezeichnet sind. Neben der „Reitbrake“ in Oslebshausen gibt es auch die Straße „Auf der Reithbrake“ im Ortsteil Industriehäfen. Im Zuge der Berichterstattung zu den Grabungen wurde als Ortsangabe wiederholt „an der Reitbrake“ verwendet, so zuletzt im Weser-Kurier vom 12.04.2024. Dies belegt die Verwechslungsgefahr.

Der Stadtteilbeirat Gröpelingen möge beschließen:
Der Stadtteilbeirat Gröpelingen entscheidet nach § 10 Abs. (1) Ziff. 7 und 8. des Ortsgesetzes über Beiräte und Ortsämter über die Benennung der Straße „Reitbrake“ (Straßenschlüssel: 56272) für die Ortsteile Oslebshausen und Industriehäfen folgendes:

Der Stadtbürgerschaft möge beschließen:
1. Die Straße „Reitbrake“ wird bis spätestens zum 22.06.2025 unbenannt in „Auf der Kriegsgräberstätte“
2. Der neue Straßenname wird vom Staatsarchiv Bremen in Abstimmung mit dem Stadtteilbeirat erläutert. Die Erläuterung wird dem Straßenschild in üblicher Weise beigefügt.

Dieter Winge und die Fraktion DIE LINKE im Beirat Gröpelingen