Drogenproblematik

Gröpelingen

Der Beirat Gröpelingen möge anlässlich seiner Sitzung am 27.09.2023 beschließen:

Hiermit fordert der Ortsbeirat Gröpelingen die Senatorin für Gesundheit, Frauen und Verbraucherschutz, die Senatorin für Arbeit, Soziales Jugend und Integration, den Senator für Inneres und Sport sowie die Senatorin für Kinder und Bildung auf, ein ressortübergreifendes Gesamtkonzept bezüglich der sich in den letzten Jahren stark verändernden Drogenszene und ihren Auswirkungen zu entwickeln. Insbesondere die sich rapide entwickelnde „Crack-Szene“ mit ihren Auswirkungen rund um den Bremer Hauptbahnhof hat zu verstärkter Repression und damit zu einer Vertreibung der Konsument*innen in andere Stadtteile geführt. Dies ist neben der Neustadt, der östlichen Vorstadt und Bremen-Nord auch in Gröpelingen spürbar. Wir benötigen einen umfassenden Suchthilfeplan, an dem die Ressorts Gesundheit, Inneres, Soziales sowie Bildung zu beteiligen sind. Aufgrund der stadtweiten Bedeutung des Themas möge sich die Beirätekonferenz mit dieser Problematik und diesem Antrag befassen.

Begründung:

Aktuell erleben wir eine Verschärfung der gesamten Drogenproblematik in der Stadt. Die Situation rund um den Bremer Hauptbahnhof eskaliert zusehends, der öffentliche Druck auf Politik und insbesondere den Innensenator ist immens, hier für Entlastung zu sorgen. So gibt es ein beschlossenes Maßnahmebündel (Drogenkonsumraum, Umzug des Kontaktund Beratungszentrums, verstärkter Streetworkereinsatz), das mit Einsatz großer finanzieller Mittel umgesetzt wird. Auch polizeiliche und ordnungspolitische Maßnahmen sollen zur Verbesserung der Situation rund um den Hauptbahnhof beitragen. Insbesondere die repressiven Maßnahmen führen jedoch zu Verdrängungs- und Verlagerungseffekten in die Stadtteile. So kann auch in Gröpelingen in jüngster Zeit eine starke Zunahme der Drogenszene insbesondere am „Szenetreffpunkt“ an der Debstedter Str. beobachtet werden. Hier halten sich den gesamten Tag über nun beständig 10-15 Personen auf, über den gesamten Tag beobachtet wird der Szenetreffpunkt von etwa 40-60 Personen genutzt. Der Konsum von „Crack“ ist auch hier allgegenwärtig. Eine vergleichbare Entwicklung ist rund um den Lucie-Flechtmann Platz in der Neustadt, dem Szenetreffpunkt in Bremen-Vegesack sowie aktuell im Bremer Viertel zu beobachten.

Bisher stößt die geschilderte Entwicklung auf vergleichsweise geringe Ablehnung in der Gröpelinger Bevölkerung. Auch die bestehenden Hilfsangebote wie die Streetworkerstellen stoßen überwiegend auf große Akzeptanz und sind bisher gewünscht. Sollte sich die oben geschilderte Verdrängung vom Hauptbahnhof jedoch weiter fortsetzen, so sind dringend flankierende Maßnahmen der Deeskalation auch in Gröpelingen zu ergreifen. Es steht zu befürchten, dass der bestehende „soziale Frieden“ im Stadtteil, was die Drogenproblematik anbetrifft, durch die geschilderten Entwicklungen gefährdet werden könnte. Sollte die „Abfederung“ dieser Tendenzen durch geeignete Maßnahmen unterbleiben, könnte diese Stimmung schnell kippen. Dem wollen wir vorbeugen. Die Tatsache, dass der aus Holz gebaute Unterstand des „Szenetreff-punkts“ kürzlich durch Brandstiftung stark beschädigt wurde, ist ein Hinweis darauf, dass diese grundsätzlich von Akzeptanz geprägte Stimmung schnell umschlagen kann.

Wir konstatieren: Alles hängt mit Allem zusammen. Kommt es zu stärkerer Repression am Hauptbahnhof, so hat das unweigerlich Konsequenzen auch für die Stadtteile. Aus diesem Grund plädieren wir für ein ressortübergreifendes Gesamtkonzept, das Maßnahmen auf unerschiedlichen Ebenen betrachtet und aufeinander abstimmt. Gerade die sich entwickelnde Crackszene macht eine Neujustierung des Hilfesystems in vielen Bereichen erforderlich. Deshalb fordern wir die Erarbeitung eines umfassenden Suchthilfeplans, der umgehend zu erstellen ist und auch Maßnahmen in den betroffenen Stadtteilen enthält. In diesem Zusammenhang fordern wir die Schaffung fester Beratungs- und Betreuungsangebotes in den betroffenen Stadtteilen. Die Konzentration der Hilfen zentral im Umfeld des Bremer Hauptbahnhofs darf nicht dazu führen, dass die Menschen, die in die Stadtteile verdrängt werden, unversorgt bleiben und mittelfristig die Akzeptanz im Stadtteil verloren geht.

Vorbild für einen „Suchthilfeplan“ könnte der Drogenhilfeplan von 1990 sein. Ende der 80er/Anfang der 90er Jahre hatten wir eine sehr eskalierte Situation bzgl. der Drogenproblematik in Bremen. Während das Hilfesystem noch nicht sehr ausdifferenziert war, wurde die Stadt in dieser Zeit mit sehr billigem Heroin konfrontiert. Die Szene in Bremen wurde Anziehungspunkt für Süchtige aus der Umgebung und zum Teil auch aus dem ganzen Land. Insbesondere die Situation im Bremer „Viertel“ wurde zunehmend angespannt. Die sog. „Junkies“ prägten das Bild im Stadtteil, Anwohner beschwerten sich über in ihren Vorgärten liegende und konsumierende Abhängige, Spielplätze und Hauseingänge wurden mit abschließbaren Bauzäunen vor Abhängigen geschützt; Geschäftsleute und Anwohner protestierten gegen diese Zustände. Die Zahl der Drogentoten stieg dramatisch, die ansteigende Beschaffungskriminalität führte zu einer völlig überfüllten JVA; HIV/ AIDS breiteten sich aus; es gab eine sehr hohe Zahl wohnungsloser Klienten/Klientinnen; es gab eine starke Zunahme von Beschaffungsprostitution im Viertel. Es fanden regelmäßig Krisensitzungen im Stadtteil statt, um Lösungen für diese Problematik zu finden; in den Medien wurden diese Zustände skandalisiert. Die Politik reagierte auf diesen öffentlichen Druck damals relativ besonnen. Es wurde eine ressortübergreifende Arbeitsgruppe gebildet, die einen umfassenden Bericht über die Drogenhilfe im Lande Bremen verfasste.

Dieser sog. „Drogenhilfeplan“ wurde 1990 veröffentlicht. Er enthielt eine umfassende Analyse des Ist-Zustandes; auf dieser Grundlage wurden Maßnahmen auf verschiedenen Ebenen vorgeschlagen und anschließend auch überwiegend umgesetzt, um die geschilderten Probleme und die Situation im Stadtteil in den Griff zu bekommen. Dabei gab es die Prämisse: ohne Alternative Aufenthalts- und flankierende Hilfemaßnahmen für die „Szene“ kann es keine Repression und bloße Vertreibung der Drogenkonsumenten geben. Die heutige Situation ist durchaus mit der oben geschilderten Situation in den 90er Jahren vergleichbar. Eine Neuauflage des Drogenhilfeplans ist angesichts der heutigen Problematik überfällig.

Dieter Winge und die Fraktion DIE LINKE im Beirat Gröpelingen